Von Faszien, Muskeln und Spannungen

MeerSpannungen im Körper zählen mit zu den zentralen Themen des Yoga. Was aktuell eine besondere Aufmerksamkeit findet, ist der Begriff „Faszien“.

Die Faszien, auch Bindegewebe genannt, umschließen die Muskeln wie eine Schicht oder Hülle. Die Faszienschicht besteht aus unzähligen feinen Nervenbahnen (Nervengeflecht). Unter diesem Geflecht befindet sich das eigentliche Muskelgewebe.

Entscheidend ist, dass Spannungen in der nervengesteuerten Faszienschicht ablaufen und nicht, wie früher vermutet, im Muskelgewebe. Der Muskel wird regelrecht von seiner Hülle in seiner vollen Kontraktionskraft oder Dehnungsfähigkeit bestimmt.

Diese Tatsache ist für einen echten Yogi nichts Neues. Auch die inzwischen immer bekannter werdende Faszien-Massage „Rolfing“ knüpft hier an. Beim Rolfing werden die Muskeln an ihrer von den Nerven versorgten Hülle so lange manuell bearbeitet, bis sich die Faszie entspannt und der Muskel wieder mit Energie versorgt werden kann. Das wirkt sich direkt und im gesamten Körper wohltuend aus. Der Patient schöpft neuen Mut.

Das Problem ist nur, dass sich die Spannung alsbald erneut zurückmeldet, solange wir uns immer nur von anderen eine Besserung erhoffen und nicht selbst zur Tat schreiten. Die yogische Langzeiterfahrung lehrt jedoch, dass uns niemand das Karma abnehmen kann außer uns selbst. In der Praxis bedeutet dies: Wir begeben uns auf den Weg und lassen unsere selbsterzeugte Spannung durch uns selbst wieder los. Wie das geht, lernen wir in der Yogaschule.

Das vegetative Nervensystem besteht aus dem Sympathikus (anregend) und dem Entspannungsnerv, dem Parasympathikus. Unsere Übung liegt darin, den Entspannungsnerv zu aktivieren und ihn keinesfalls noch mehr in Druck zu bringen. Das lässt sich souverän mit dem Anwenden der drei Grundlagen in relativer Kürze erreichen. So gleichen sich unsere Nerven bis in die Faszien aus, und die Muskeln entspannen. Gleichzeitig profitiert der gesamte Körper. Das ist das wirkungsvollste System, das die Natur zu bieten hat.

Als Hilfsmittel nutzen wir individuelle Asanas und die Aktivierung 1. des Beobachters, 2. des Atemzentrums, das so fein abgestimmt ist, dass es optimalen Einfluss auf alle Zellkerne gleichzeitig ausüben kann, insbesondere die der Spannungsbereiche, und 3. der Schwerkraft, dem mächtigsten kosmischen Naturgesetz, das sich auf unserem Planeten in vollem Maße auswirkt, so auch in uns.

Doch viele Menschen haben wenig Vertrauen in sich selbst und lassen zu viel Zeit vergehen, bevor sie, wenn überhaupt, irgendwann einmal beginnen, an sich zu arbeiten, um sich diese Gesetze zunutze zu machen, statt zu versuchen, ihnen entgegenzuwirken. Nur wenige sind in der Lage, die Verantwortung für sich und ihr Wohlbefinden zu übernehmen.

Selbst Yogalehrer stehen oft unter dem Einfluss von Druck und Spannung und können in solch einem Fall auch nichts anderes vermitteln. Das führt dazu, dass die TeilnehmerInnen zu wenig Zeit bekommen, während der Übungen zu spüren, wie es ihrem Körper geht: Wo befinden sich Spannungen, wie reagiert diese oder jene Muskelpartie auf die Bewegung, wo gelange ich an meine Grenzen? Das aber macht ein Loslassen unmöglich.

Druck und Leistungszwang sind die Verursacher von Körperspannungen. Es ist weise, solche potenziellen Hindernisse in sich selbst zu unterscheiden bzw. wahrzunehmen. So entsteht die Möglichkeit, vorhandenen Druck loszulassen. Einerseits Druck im Bauch (Sonnengeflecht), andererseits Druck im gesamten Körper und selbstverständlich in den Krisenbereichen.

Ein Medizinstudium beinhaltet ein großes Wissen über körperliche Zusammenhänge. Ein Yogi hingegen verfügt über eine lange Selbsterfahrung am eigenen Leib. Das Gefühl, ohne das wir im Yoga nicht vorankommen, ist auf einem Röntgenbild nicht zu finden.

Das Anwenden von Druck bereitet keine Schwierigkeiten. Loslassen hingegen bleibt eine Übung höchster Wirksamkeit.

Asanas sind Hilfsmittel, um die Schwerkraft besser zulassen zu können. Hilfsmittel sollten aber nicht das letztendliche Ziel darstellen. Zum Schluss bleibt in jedem Fall unser Geist der Chef, nicht aber unser Körper.

Über diese Aussage erscheint demnächst ein gesonderter Beitrag.