Veränderung statt Abhängigkeit

Das engagierte Üben von Yoga und Meditation wirkt ausgleichend auf unser vegetatives Nervensystem. Auf diese Weise werden auf natürlichem Wege unterschiedliche Symptome geheilt. Es stellt sich die Frage: Warum fällt es den meisten Teilnehmer/innen so schwer, in eigenen Räumen ein wohltuendes Übungsprogramm zu praktizieren, das ihnen hilft, mit sich selbst in Einklang zu kommen, um auf diese Weise aus dem starken Sog der allgegenwärtigen schwarzen Löcher des Alltags zu entkommen?

Es sind nicht immer nur die verbotenen Drogen, die zu einer Abhängigkeit führen. Unser ganz normales Alltagsleben ist bereits eine starke Droge. Doch wir sehen diese Abhängigkeit nicht und haben dennoch eine ausgeprägte Sucht entwickelt, die Sucht nach den Gewohnheiten, die unseren Alltag bestimmen. Diese Erkenntnis lässt sich in energievollen Tiefenentspannungen gewinnen, die uns in die Lage versetzen, das konditionierte Verhalten des Alltags zu durchbrechen, zugunsten vitaler Nervenfunktionen.

Gewohnheiten stehen der Veränderung im Weg

Jeden Morgen aufzustehen, in den Spiegel zu schauen und sich als existent zu bestätigen, gehört zu den Gewohnheiten, die wir als selbstverständlich empfinden. Alles im Prinzip sehr normal. Doch durch diese „Norm“ verlieren wir den Blick für notwendige Veränderungen, ohne die ein heilsamer Wandel nicht möglich ist. Nicht nur, dass wir älter werden, wir werden auch eines Tages nicht mehr da sein. Das sind existenzielle Erkenntnisse, die uns einmal den Weg weisen und uns zum anderen auf diesem festigen. Doch zu diesen Erkenntnissen müssen wir erst einmal gelangen. Dass wir die Tatsachen alle bereits wissen, ist völlig klar, doch etwas zu wissen, bedeutet nicht gleichzeitig auch, es zu verstehen und danach zu handeln.

Wir bauen zu gerne Fronten auf, um unsere Wirklichkeit zu verdrängen. Umso größer ist dann der Schock, wenn uns die Tatsachen einen Weg vorschreiben, der von uns nicht geplant war. Der Blick in den Spiegel ist beruhigend: Wir sind da. Morgen werden wir ein wenig anders aussehen als heute, doch die Veränderung ist so gering, dass wir sie kaum wahrnehmen werden.

Es ist aber hilfreich, sich der Vergänglichkeit bewusst zu werden, denn es lohnt nicht, an dem festzuhalten, was ohnehin bereits vergangen ist. Lieber sollten wir das Neue zulassen, das uns den Blick für unumgängliche Veränderungen öffnet. Dafür jedoch brauchen wir eine flexible Wahrnehmung, und die erhalten wir durch konsequentes Üben. Zu gerne erinnern wir uns, wie es einst war, und würden uns womöglich lieber für das Alte statt für das Neue entscheiden. Dieses Thema geht uns alle an, weil es uns so stark in seinem Bann hält, dass es in jeder Sekunde unseren Energiezustand prägt.

Materieller Reichtum führt zur Ohnmacht

Ebenso kann materieller Reichtum zur Ohnmacht führen, auch wenn er von den meisten Menschen in unserer Umgebung für erstrebenswert gehalten wird. Nicht selten aber führt die Identifizierung mit der Ansammlung von Gütern und Gegenständen zu Überheblichkeit und Wahrnehmungsproblemen. Die Materie wird zwar von uns Menschen vorbildlich beherrscht, doch ohne den Einfluss des spirituellen Geistes wirkt Materie wie Rauschgift, das heißt, sie führt zur Abhängigkeit.

Solange sich unser Geist zu oft mit den banalsten Dingen des Alltags beschäftigt, werden die Nerven für diese Dinge verbraucht. Die mächtige Intelligenz in uns (Siddhi = besondere Fähigkeiten) hat keine Chance, aktiv zu werden. So bleiben wir Opfer der scheinbar unvermeidlichen Einflüsse natürlicher Wirkungsweisen.

Das Leben ist mehr als Pflichterfüllung

Es sei denn, wir machen Bekanntschaft mit der äußeren und inneren Vielfalt faszinierender Energiewandlungen. Dazu aber ist das Verlassen des alltäglichen gewohnten Wegs notwendig. Denn es reicht nicht aus, positiv zu denken. Die Summe aller Selbsterfahrungen bringt das wahre Wissen hervor. Theoretisches Wissen alleine, das wir uns lediglich angelesen haben, bedeutet Stillstand, weil es nicht wirklich etwas mit uns zu tun hat. Bewusstsein ergänzt bloßes Wissen, und beides zusammen führt zur Gewissheit. Es lebe die ungeahnte Vielfalt menschlichen Daseins, die immer wieder als unglaublich bestaunt und oft belächelt wird.

Zu guter Letzt wäre noch unser Karma zu erwähnen, denn mit all seinen unerwünschten, doch gleichwohl konstanten Begleiterscheinungen gehört es mit in die Kategorie „Starke Prägung“.

Die pflichtbewusste Bewältigung des Alltags bildet eine solide Grundlage, ohne die ein Weiterkommen auf dem Weg nicht möglich ist. Doch es wäre zu schade, dieses einmalige Leben, das uns geschenkt ist, auf reine Pflichterfüllung zu reduzieren, denn in jedem von uns warten Grenzenlosigkeit, Unvergänglichkeit und Seelenfrieden. Und danach sehnen wir uns alle.

Bildquelle: Pixabay

Blumenmeer: Capri23auto / Vogelnest: Gerhard Gellinger / Kirschblüte: Hans Braxmeier / Zierkirschen: Heidelbergerin