Wir üben Hatha-Yoga mit dem Ziel, uns unseren Körper bewusster zu machen, ihn durch Asanas zu bewegen, um letztlich dadurch geschmeidiger zu werden und es zu bleiben. Es gibt sehr flexible, aber auch sehr unbewegliche, festere Körper. Bereits bewegliche, sehr gelenkige Körper sollten nicht zur Hyperbeweglichkeit tendieren, und festere, steifere Körper nicht noch unbeweglicher werden. Zu bemerken ist: Beide Energieformen verfügen über ihre ganz eigenen Qualitäten.
Der Ausgleich durch das Gegenteil
In sehr flexiblen Körpern liegen die Nerven relativ locker. Im Zustand einer Hyperflexibilität allerdings neigen die Nerven gerne zu einer Labilität oder auch zu einer Nervenschwäche. Festere Körper hingegen halten ihre Nerven oft sehr viel stabiler. Nerven einer solchen Körperkonstellation erscheinen daher resilienter und stoßen nicht so schnell an ihre Grenzen. Doch unflexible Körper sollten nicht noch unflexibler werden. „Sthira – sukham – asanam“, übersetzt: Das Asana, oder eben der Körper, sollte leicht und stabil zugleich sein.
Durch stabilisierende Asanas profitieren also die genetisch Beweglichen, während entspannende Körperübungen die festeren Körper ausgleichen. Letztendlich hängt der Energiezustand eines Menschen von der Ausgeglichenheit seiner Nerven ab. Die Asana-Praxis will also gut ausgewählt sein, damit wir einen optimalen Nervenzustand erhalten. Ein gut ausgewähltes Asana lässt sich an seiner wohltuenden Wirkung erkennen. Gerne bevorzugen wir Asanas, die uns leichtfallen. Doch der Ausgleich erfolgt grundsätzlich durch das Gegenteil, und hier kann es Schwierigkeiten geben. Oft brauchen wir gerade die Übungen, die uns schwerfallen, um zu einem Ausgleich zu gelangen. Sonst wären wir alle schon längst ausgeglichen. Das ist jedoch nicht die Realität. Hinzu kommt grundlegend das Bewusstsein für die richtige Nahrung, das immer berücksichtigt werden sollte.
Der höhere Yoga findet im Bewusstsein statt
Ist es uns nun durch unsere Bemühungen gelungen, ausgeglichener zu sein, indem unsere Nerven besser versorgt werden, so beginnt eine höhere Form des Yoga. Der Begriff Yoga sagt bereits aus, dass wir in Kontakt kommen sollen mit den wirksamsten und einflussreichsten Energiequellen in uns. Und das betrifft ohne Zweifel unsere Nerven (Immunsystem). Ist der Nervenzustand zu einem hohen, einflussreichen Niveau transformiert worden, so beginnen Übungen, die sich auf unsere natürlichen Nervenfunktionen konzentrieren.
Der Einfluss unserer Nerven übersteigt die Wirkungen von Asanas. Yama und Niyama (Verhaltensregeln) bleiben nun die einflussreichsten Grundlagen für eine gute Funktion aller Organe und Hormondrüsen. Nur bei Bedarf sollten Asanas wieder als Unterstützung eingesetzt werden. Ein höherer Yoga findet demnach im Bewusstsein statt. Gedanken lassen sich verwirklichen. Das sauerstoffreiche, unbelastete Blut versorgt den komplexen Organismus. So entsteht Gesundheit mit einem beeindruckenden Immunsystem, auf das man sich verlassen kann. Ängste, die auf Unwissenheit, Vernachlässigung und Fehlverhalten basieren, sind weitgehend aufgehoben.
Die zwei Hälften der Wirklichkeit
Tagsüber nehmen wir die sichtbare, materielle Welt wahr, identifizieren uns mit ihr, halten sie für wahrhaftig. Und doch zeigt sich uns nur die halbe Wahrheit. Denn nachts vollzieht sich eine konträr andere Wirklichkeit, die für uns zum größten Teil unbewusst ist. Unser Unterbewusstsein führt uns in das nichtmaterielle, unfassbare Gegenteil dessen, was uns im Licht des Tages stark beeindruckt. Wir halten diese Erscheinungen für die einzige Wirklichkeit. Während unser Gehirn tagsüber versucht, mit gedanklichen Einflüssen und dem aktivierenden Hormon Adrenalin optimale Ergebnisse zu erzielen, so kommen wir abends und vor allem in der Nacht mit vollem Einsatz der unbewussten Wahrnehmung unserer Steuerungsdrüsen zu ausgleichenden Ergebnissen. Unser Gesundheitszustand lässt sich grenzenlos potenzieren.
Der Weg dorthin führt über die Selbsterfahrung, ein Weg, der Mut und Offenheit erfordert. Das Wissen, das wir dabei erwerben, heißt Bewusstsein oder Weisheit und kann an keiner Universität gelehrt werden. Wie das Beschreiten eines Pilgerwegs, der ganz eigene, unverwechselbare Erfahrungen für uns bereithält, wenn sich Herz und Seele öffnen.
Lebe lieber mit dir in Einklang, als an einer unbewussten Gesellschaft zu erkranken. Das, was wir tun und aussenden, reflektiert mit Sicherheit auf uns zurück. Das ist das kosmische Prinzip der Ewigkeit. Diejenigen, die das durchschauen und danach handeln, sind befreit von diesem leidvollen Prinzip, das Karma heißt. Mit der Kraft eines gesunden Immunsystems bewegen wir uns, frei von Ängsten, inmitten einer infektiösen Gesellschaft. Das ist seit Jahrtausenden die Stärke des gelebten Yogas.
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Lotusblume: Zhu Bing; schneebedeckter Berg: Pezibear; Himmel mit Wolken: enriquelopezgarre