Mit Jnana Yoga zur Leichtigkeit des Seins

Im Hatha Yoga liegen die Bemühungen darin, Muskeln, Sehnen und Bänder von Spannungen zu befreien und auf diesem Wege die Körperstatik auszugleichen. Den intellektuellen Geist von hinderlichen Meinungen, Vorurteilen und täuschendem Wissen zu befreien, ist das Ziel des Jnana Yoga. Nennen wir eine solche Methode positiv. Mit „positivem Denken“ hat sie jedoch nichts zu tun.

Will man mit einer Jnana-Übung einen Erfolg erzielen, ist es eine wichtige Voraussetzung, das Bewusstsein zur Ruhe kommen zu lassen. Auf diese Weise gelangt der Beobachter, die höchste Instanz des Parasympathikus, in einen vom wertenden Geist befreiten Zustand. Der Beobachter selbst kann nicht werten. Anders als der denkende Geist läuft er nicht Gefahr, sich von täuschendem Wissen beeinflussen zu lassen.

Für den Betrachter entsteht „Viveka“, was bedeutet, für sich die Dinge so sehen zu können, wie sie wirklich sind. Wer auf diese Weise Jnana übt, bekommt die Chance, unverarbeitete oder verdrängte Themen, nicht zuletzt sogar noch aus der Kindheit, endlich loszulassen und sich so ein für alle Mal von dem energieraubenden Zustand zu befreien. Das kann aber nur dann geschehen, wenn sich unbewusste, verdrängte Themen allmählich in den Fokus des dritten Auges, auch „inneres Auge“ oder Stirnchakra genannt, trauen.

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Mit dem Einfluss des Beobachters (Nervenkraft), der die Themen wertfrei anschaut, beginnt ein Wandel in Richtung Auflösung. Eine spürbare Entlastung der Nerven krönt den Erfolg. Man kann sich vorstellen, dass der Beobachter nun weitere solcher energiezehrenden, unbewussten Mentalvorgänge immer besser und mit viel mehr Leichtigkeit und kristallklarer Präsenz durchschauen kann. Das ist für den weiteren Weg die nächste Grundlage.

Der Vorteil eines von hinderlichen Vorstellungen und Meinungen entkonditionierten Bewusstseins besteht z. B. darin, dass man während eines Gesprächs die Meinung seines Gegenübers viel eher und ohne innere Widerstände akzeptieren kann. So verläuft ein Dialog harmonischer. Ein weiterer Effekt könnte sein, dass der Geist kein Interesse mehr daran hat, sich mit unnötigem Wissen zu belasten, und sich auf das Wesentliche beschränkt.

Im Grunde haben wir das Bedürfnis, ein Leben ohne Konflikte zu führen und die Interessen unseres Bewusstseins in diese Richtung zu lenken, statt Konflikte zu erzeugen (Karma). Ein von Spannung befreiter Geist verfügt zugleich über sehr viel mehr Zeit als ein Geist, der sich im Zwang des Denkens befindet. Der unruhige Geist findet kaum die Gelegenheiten, die er für eine Jnana-Übung brauchen würde.

Ein ausgeglichenes Bewusstsein, das sich sowohl des intellektuellen als auch des spirituellen Geistes bedienen kann, verfügt über einen reichhaltigen Schatz an Erkenntnissen. Dieses Repertoire ist erheblich ausgewogener als das eines intellektuellen Bewusstseins, das sich überwiegend auf der materiellen Ebene befindet. Mir fällt dabei der Erfinder der Atombombe ein, der auf einer rational-technischen Ebene genial war, in jeder anderen Hinsicht aber große blinde Flecken in seinem Bewusstsein aufwies.