Yoga der Erkenntnis – Jnana

Gleich ob Power-Yoga, Hormon-, Vini-, Bikram- oder Iyengar-Yoga, alle körperorientierten Yogaformen sind dem Hatha Yoga zuzuordnen. Dessen Ziel ist die körperliche Vollkommenheit. Das zugeordnete Bewusstseinszentrum ist das Wurzelchakra mit dem Sitz am Steißbein (Erde – Kalzium – Stabilität – Kontinuität).

Während durch Hatha Yoga auf körperlichem Weg versucht wird, innere Zufriedenheit zu erlangen, bietet Jnana Yoga eine weitere unerlässliche Disziplin, die zu mehr Klarheit und letztendlich zu innerer Befreiung führt. Körperarbeit steht für die Lockerung von Muskeln, Sehnen und Bändern und für die Verbesserung der Nervenfunktion. Im Jnana Yoga wird die nervliche Steuerungsdrüse (Hypophyse) mit dem Einfluss des Bewusstseins (z. B. Viveka oder Darshana) direkt aktiviert. Zugeordnetes Chakra: das „dritte Auge“ (Stirnchakra) zwischen den Augenbrauen (Konzentration, Erkenntnis, Intuition, Weisheit).

BrennnesselnZu Zeiten Buddhas wurde Jnana Yoga praktiziert, Hatha Yoga musste erst noch erfunden werden. Durch Übungen im Jnana Yoga lassen sich geistig-seelische Blockaden aus dem Unterbewusstsein ausräumen (z. B. Angstzustände, energieraubende Zwangsvisionen, Selbstwertprobleme, lähmende Gewohnheiten und vieles mehr). Gelingt eine solche Übung, wird auch die Nervenkraft spürbar stabiler, was sich ebenfalls positiv auf den grobstofflichen Körper auswirkt.

Ganz besonders fördernd überträgt sich so eine Art von Entspannung auf die Kundalini (Lebensenergie). Die auch als Shakti bezeichnete Lebensenergie setzt sich langsam in Bewegung und dringt bis zu den karmischen Schwachstellen des Körpers vor. Sicherlich hat auch Hatha Yoga eine ausgleichende Wirkung auf die Nerven. Wird jedoch die nervliche Steuerungsdrüse an Ort und Stelle direkt im Kopf selbst aktiviert, so ist die Wirkung einer solchen Bemühung unvergleichlich intensiver als die der körperlichen Übungen.

Der Jnana Yoga ist bei uns im Abendland noch weitgehend unbekannt. In der Praxis werden gedanklich-emotionale Unstimmigkeiten so lange mit der Präsenz des Beobachters wertfrei wahrgenommen, bis es zu einer dharmischen Auflösung der inneren Unklarheit kommt. Dadurch entsteht freie Handlung. Dharma steht für die Bestimmung, die zu uns selbst gehört und die uns gleichzeitig auf unserem Weg einen Schritt weiterbringt. Karmische Belastungen werden auf diese Weise abgetragen und bleiben tatsächlich ein für alle Mal fern. Es entsteht eine unvergleichliche, tiefe Erholung, die sich die Nervendrüse selbst ermöglicht hat.

Spiegelung_WasserIn so einem zentrierten, störungsfreien Zustand werden ungeahnte Fähigkeiten (Siddhi) geweckt. Das ist etwas ganz Natürliches. Doch beim ersten Mal wirken solche Erfahrungen überraschend und verblüffend. Zum Beispiel lassen sich Atemräume im Körper dort öffnen, wo ein Mangel besteht. In letzter Konsequenz entstehen neue verbindende Nervenbahnen.

Ein sehr bekannter Jnana Yogi war Jiddu Krishnamurti. Er schaffte es, seine Kundalini durch meditative Betrachtungsprozesse in Bewegung zu setzen. Obwohl Krishnamurti sehr wohl Lehrstunden bei B. K. S. Iyengar (Hatha Yogi) genommen hatte, blieb der Jnana Yogi seinen Betrachtungen treu und wendete Asanas lediglich in geringem Umfang an.

Ein freies sechstes Chakra, über das Krishnamurti verfügte, ist nicht jedem gegeben. In so einem Fall verläuft der Weg zunächst nur auf körperlicher Ebene. Der Geist aber ist und bleibt die höchste Autorität in uns und steht in den Grundlagen an erster Stelle. Der Körper repräsentiert das ausführende Organ und setzt um, was der Geist ihm ansagt.

Der Atem stellt das Medium zwischen Geist und Körper dar. In der Atembewegung ist grundsätzlich die Motivation des Geistes enthalten. Befindet sich der Geist in Abwesenheit, so kann der Atem lediglich diesen Zustand an den Körper vermitteln. Gelangt jedoch der Geist in den Zustand des Yoga (ungestörte Beobachtung), so liegt in der Atembewegung die Zuwendung, Hingabe oder die jeweils erwünschte Motivation. All dies wird durch Nervenimpulse an den Körper vermittelt.